Dokumentarfilm (CH) 53'
Dialekt mit Untertitel

Zwei Menschen. Eine 3500 Kilometer lange Reise. Die Verschmelzung von Gegenwart und Vergangenheit zu einer unverkennbaren Einheit. Mit dem Auto fahren der damals 88-jährige Lothar und sein 40-jähriger Nachbar Tom, getrennt durch 50 Jahre Altersunterschied, von der Schweiz aus weit hinauf in die nordöstlich gelegenste polnische Wojewodschaft Ermland-Masuren, der ehemaligen deutschen Provinz Ostpreussen, angrenzend an die russische Enklave Kaliningrad, um den Geburtsort Lothars zu besuchen, wo die Geschichte Lothars seinen Anfang nahm.
Das kleine Örtchen Bischofstein befindet sich immer noch in einem Dämmerzustand zwischen Vergangenheit und Zukunft, ausser der polnischen Namensänderung Bisztynek versprüht nichts eine Aufbruchstimmung in ein neues Zeitalter. Das dunkle Vorleben hält noch immer seinen Schleier des Vergessens über die Ende Januar 1945 von der Roten Armee eingenommenen Kleinstadt. Hier wuchs Lothar als Sohn eines Molkereibesitzers, dessen Vater in den 1860er Jahren aus der Schweiz als Käser ausgewandert war, auf. Hier ging er zur Schule, erlebte den Aufstieg des Nationalsozialismus und stand unter der wehenden Fahne des Hakenkreuzes. Hier spielte er mit den Nachbarskindern und galt trotzdem als Fremder. Hier fing auch der lange Weg zurück in seine noch nie betretene Heimat ausgelöst durch Flucht und Vertreibung an.
Die Reise führt die beiden Protagonisten 10 Kilometer weiter westlich von Bischofstein der Strasse Richtung Frischen Nehrung entgegen, die für Tausende von Menschen als einzige Hoffnung auf Überleben 1945 zum Trauma und zum Tod führte, in der kaum auf einer Karte zu findenden Ortschaft Trautenau. Hier finden Lothar und Tom die alte Baracke, wo er aus den Armen seiner Mutter gerissen und zusammen mit seinem Vater und Bruder durch den bitterkalten ostpreussischen Winter von der sowjetischen Armee verschleppt wurde, um anschliessend hinter Stacheldraht tiefster menschlicher Verachtung im Gefangenenlager 445 in Georgenburg bei Insterburg nahe Königsbergs unterworfen zu werden.
In dieser aussichtslosen Zeit keimt in ihm die Sehnsucht nach Überleben auf und er entkommt auf seiner Flucht aus dem Lager nach Monaten der Demütigung den Händen seiner Peiniger. Die Reise führt sie weiter nach Frankfurt an der Oder, Knotenpunkt der überfüllten nach Deutschland fahrenden Züge der Flüchtlinge und Vertriebenen, wo er schliesslich seine Fahrkarte in die Freiheit über Umwegen über Berlin erhält, um in seine neue, alte Heimat als Rückwanderer in Schweizer Auffanglagern aufgenommen zu werden.
In Luzern beginnt schliesslich sein neues Leben, fernab von Hoffnungslosigkeit und Gewalt. Auf der Reise fängt der Jüngere nicht nur die Bilder der Stationen und die Lebensgeschichte ein, sondern wird in die Gedanken und tiefsten vergrabenen Stellen des Älteren hineingezogen, bis er versteht, was damals geschah. Doch wie kann ein Entwurzelter jemals heimkehren?

Thomas Mathieu begegnete Lothar 2007 und begann bereits 2009 mit der Niederschrift Lothar Bernets Biografie. Damit hat er das Projekt ins Leben gerufen.
2013 gründeten Thomas Mathieu, Christoph Imfeld und Nick Schneider das Filmkollektiv brainboxfilm.
Christoph Imfeld übernahm die Regie und legte gleich selbst hinter der Kamera und im Schnitt Hand an. Dabei wurde er von Nick Schneider unterstützt, welcher für den professionellen Workflow und eine weitere Kamera zuständig war.
Mit dem Film wird auch das Buch "Lothar der Heimkehrer" veröffentlicht, welches sich vertieft mit der historischen und familiären Geschichte Lothars auseinandersetzt.
Der Film ist nicht nur ein historisches Dokument, es zeigt auch die aussergewöhnliche Freundschaft zwischen Lothar und Tom.
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